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Sanjay Kapur

 
 

Keine Abschiebungen nach Afghanistan, insbesondere keine für Hindus und Sikhs”

 
 


  Meine sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Sanjay Kapur. Ich vertrete die Hindu und Sikh Gemeinde in Frankfurt.
ich freue mich sehr so viele von Ihnen heute hier zu sehen. Sie sind bundesweit, aus allen Teilen Deutschlands, heute angereist. Durch Ihre Anwesenheit geben Sie der Solidarität ein Gesicht. Dafür möchte ich mich bei Ihnen herzlich bedanken.
Solidarität, das bedeutet heute für uns sich gegen die Abschiebepraxis der Bundesregierung einzusetzen. Gemeinsam setzen wir ein deutliches Signal, dass wir nicht einverstanden sind mit dem, was die Repräsentanten unserer Demokratie in Berlin beschlossen haben Was wurde beschlossen? Die Bundesregierung bezeichnet Afghanistan als sicheres Herkunftsland. Meine Damen und Herren, wie Sie wissen und auch ich durch die Berichterstattung, dass das de facto falsch ist.
Afghanistan ist nicht sicher. Heute möchten wir auf die Situation zweier religiöser// ethnischer Minderheiten aufmerksam machen: der afghanische Hindus und Sikhs. (Pause) Die vielen Anwesenden heute sind selbst aus Afghanistan geflohen als der Krieg ausbrach.
Wir sind aus den unterschiedlichsten Städten Afghanistans: Kabul, Ghazni, Kunduz, Jalalabad, Herat und viele mehr. Bis 1980 waren wir ca. 220.000. Vorwiegend als Händler und Kaufmänner. Doch mit dem Ausbruch des Krieges und der Machtübernahme der Mujaheddin war ein friedliches Leben in Afghanistan nicht mehr möglich. Zu den täglichen Bomben und Raketen, die unser aller Leben bedrohten, wurden Übergriffe auf Hindus und Sikhs immer häufiger. Systematisch wurden wir in unseren Läden überfallen, ausgeraubt, körperlich angegriffen. Weshalb viele von uns ihre Hab und Gut verkauften und ihre Heimat verließen. Wir hinterließen auch unsere Familien, die, die lange Flucht nicht antreten konnten.

 

 


Oder das Geld für die Flucht reichte nicht aus. Familien wurden auseinandergerissen, Brüder von ihren Schwestern getrennt, Kinder von ihren Eltern. Unsere Gemeinde wurde auseinander gerissen.
Wir kamen nach Europa, mit viel Hoffnung. Auch mit der Hoffnung, dass der Frieden in Afghanistan einkehrt. Wir organisierten uns in Deutschland, weil wir nicht auch noch unsere Kultur dem Krieg überlassen wollten. Unsere Mandirs und Gurdwaras, unsere Tempel, sind offene Räume, die alle Besucher willkommen heißen.
Wir stärken uns gegenseitig, stützen uns in schwierigen Zeiten. Sie können sich vorstellen wie es ist, sich selbst in Europa aufzuhalten und nichts für die Familie im Krieg tun zu können. Oder über Jahrzehnte die Engsten und liebsten Menschen hinweg nicht sehen zu dürfen, weil sie im Nachbarland leben.
Jetzt haben wir uns eingelebt, sind Teil der Gesellschaft und unterstützen Neuankömmlinge wo wir können.Aber auch das ist Geschichte. Wieder müssen wir uns um unsere Gemeinde Sorgen machen. Wieder sollen Familien auseinander gerissen, wieder droht uns der Krieg aus Afghanistan einzuholen.
Die Sammelabschiebungen ins Krisenland treffen in das Herz unserer Gemeinde: die Situation in Afghanistan hat sich im vergangenen Jahr deutlich verschlechtert. Neben den alltäglichen Bedrohungen durch willkürliche Anschläge auf die Zivilbevölkerungen, den NATO-Lufteinsätzen auf die Krankenhäuser der Ärzte Ohne Grenzen in Kundus, werden Hindus und Sikhs von der Bevölkerung verfolgt.
Erst letzte Woche wurde der Vertreter der Sikh-Gemeinde Nirmohan Singh in Kunduz auf offener Straße von Unbekannten erschossen.
Im Oktober zuvor wurde Sardar Rawail Singh, ein junger Mann im Alter von 24 , der sich unermüdlich für die Rechte der Sikhs einsetzte, erschossen. Seine Leiche wurde demonstrative am nächsten vor den Toren des Tempels geworfen. Auch wir trauern um die Verstorbenen.
Denn nicht einmal im Tod werden sie ihre Ruhe finden. In Afghanistan können Hindus und Sikhs die Feuerbestattung nicht durchführen. Nicht ohne massive Polizeipräsenz. Denn die Bevölkerung schmeißt mit Steinen auf die Trauernden.
Und wenn die dortige Hindus und Sikhs keine Toten beklagen, dann kommen sie aus den Tempelanlagen nicht heraus. Mädchen und Frauen können sich nicht frei bewegen. Aus Angst vor Übergriffen. Gegen unsere religiösen Vorstellungen sollen sie Burkas tragen.
Durch die Zwangsenteignung von Land und Geschäften, fehlt Hindus und Sikhs eine Existenzgrundlage. Die afghanische Regierung hat versprochen die Enteignung rückgängig zu machen, aber es passiert: Nichts .
Die Regierung tut das was sie am besten kann: zu sehen. Die Situation verschlechtert sich jährlich, die Bedrohungslage wird größer. Es leben derzeit schätzungsweise nur noch 1.300 Hindus und Sikhs in Afghanistan.
Eine Regierung die eine Minderheit nicht schützen kann oder will, zusieht wie sie systematisch bedroht, verfolgt und ermordet wird, bildet keinen Rechtsstaat. Für Niemanden.
Afghanische Hindus und Sikhs werden mit sehenden Augen in den Tod abgeschoben.
Meine Damen und Herren, als Kulturverein der afghanischen Hindus und Sikhs setzen wir uns für unsere Geschwister ein.
Wir verurteilen aber jede einzelne Abschiebung nach Afghanistan, das Land ist nicht sicher .
Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Einschätzung zurück zu nehmen. Wir fordern jede einzelne Landesregierung auf bei der Abschiebepraxis nicht mitzumachen. Ich appellieren an Sie und Ihre Menschlichkeit.
Im Namen unserer Gemeinde möchte ich mich herzlich dafür bedanken, dass Sie der Kälte trotzen und sich heute hier solidarisch zeigen.
Vielen Dank..

 

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   281 Ausgabe                                                                       12. Jahrgang                                          Januar  2017