Kabulnath
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Sag dein Gebet… ein Artikel von Ischer Dass in Persisch
übersetz von:
Khaleda Neazi
Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit meiner Kindheit und der Grundschule erinnern. Immer wenn ich unser Haus im Barane-Viertel in Kabul verließ, um mit Freunden zu spielen oder in die Schule zu gehen, tauchten irgendwelche Jugendliche auf, um mit lauter Stimme mich einzuchüchtern, in dem sie mich aufforderten, das Gebet auszusprechen. Das hieß: „oh du, das Kind Lalas, sag dein Gebet auf“. Lala ist die Bezeichnung eines Mannes, der dem Hindu-Glauben angehört. Ich sagte automatisch das Gebet der Hindus auf. Die Jugendlichen beschimpften mich auf das Übelste. Für sie war ich ein Kafer, das heißt ein Ungläubiger, ein Heide, jemand der nicht dem Islam angehört. Es gab Zeiten, in denen ich geschlagen und beraubt wurde. Wenn die Überfälle brutaler geworden waren, hatte ich von einem besonnenen Alten Hilfe verlangt und bekommen. Ich schrie in solchen Situationen: Onkel, Onkel, dieser Junge schlägt mich. Der Alte vertieb die Übeltäter mit den Worten; laß den Jungen in Ruhe, jeder darf nach seiner Fassung selig werden in der Ferne.
Ich war in der siebten oder sogar in der achten Klasse, als unser Mathelehrer aus Mekka zurück kam. Unsere erste Schulstunde wurde den Erzählungen unseres Mathelehrers über die Reise, gewidmet. Wir gratulierten ihm zu seinem Hadji-Titel. Wer in Mekka war, darf sich nämlich Hadji nennen. Er verlangte, dass jeder von uns das heilige Gebet (Kalima in arabisch) (d.h. Glaubbekenntnis) ausspricht. Als jeder muslimischer Schüler sprach das Gebet aus , dass unser Mathelehrer, bei falscher Aussprache, sofort korigierte. In unserer Klasse waren außer mir noch zwei Schüler, die ebenfalls meines Glaubens, also Hindus, waren. Als wir an der Reihe waren, hatten diese zwei Mitschüler mit gesenktem Haupt gestanden, dass sie das heilige Gebet der nicht wiessen. Ich dagegen stand auf und sagte das heilige Gebet der Hindus auf. Der Lehrer fragte aufgebacht, was ist das für eine Sprache…was soll es überhaupt bedeuten, was du hier vorträgst? Doch da rettete mich das Klingeln der Schulglocke, dass die Pause ankündigte. Wir Hindu-Schüler danketen dem lieben Gott dafür. Denn dieses Mal kamen wir in die Pause ohne die Gebtsfrage zu beantworten, ohne geschlagen zu werden und ohne, dass unser Pausengeld entwendet wurde. Das heilige Gebet hatte mir mein Vater beigebracht. Ich werde es bis zu meinem letzten Atemzug in meinem Herzen und in meinem Geist behalten und immer wieder aufsagen, wenn es darum geht, dass ich meine Glaubenzugehörigkeit damit bestätige. Jede Religion hat Gebete. Das Gebet der Hindus, das auch als Glaubenbekenntnis dient, ist in Sanskrit aufzusagen. Es klingt wie folgt:
„Oom-bahur-bahua-souatat-dernyam…bahrgodywsya-daymahy-dahyounah-partschaudyat“
Das Bekenntnis bedeutet: wer, der die Welten, die Universen und die Himmel geschöpft hat, der den Geist und das Leben geschaffen hat, der, der die Gesundheit und Glückseligkeit schenkt, ist einzig und verzeiht die Sünde seiner Geschöpfe. Zu ihm beten wir, damit er unseren Verstand und unseren Geist vor Laster verschont und uns den richtigen Weg zeigt.
Das erste Mal ist dieses Gebet in dem heiligen Buch „Rigovida“, das in dem Gebiet des jetzigen Afghanistans zu Ende geschrieben wurde, erwähnt worden. Danach wurde das Gebet in Gita-dji und anderen religiösen Büchern der Religion der Hindus zitiert. Die Aussage dieses Gebet spiegelt die Sehnsucht des Menschen nach Glückseligkeit und Gesundheit wider und beruht auf der Annahme, dass der Gott verzeiht und Beistand gewährt, ohne den der Mensch verloren geht und und seinen Lastern erliegt. Das Gebet beginnt mit dem Wort „Oom“, das in Farsi Gott bzw. Allah bedeutet. In unserer Religion bedeutet es die geamte Schöpfung. Das Wort beinhaltet all das, was uns bzw. unsere Vorstellungen vom Dasein und darüber hinaus ausmacht. Damit möchte ich verdeutlichen, dass auch wir Hindus in unserem Gebet zu dem einzigen und allmächtigen Gott beten.
Nach der kurzen Vernunftherrschaft des Shah Amanullah, 1919 – 1923, waren die Hindus einer Menge von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Das Gesetz schloss sie völlig aus. Die Bildung von Gebetstätten und religiösen Zentren waren selten. Den Hindus mangelte es an den entsprechenden finanziellen Mitteln. Auch die gesellschaftliche Lage der Hindus, die fortan als Minderheit am Rande der Gesellschaft existierten, war unterprivilegiert. Damit ist es evident, dass ein vernünftiger Diskurs innerhalb der Gesellschaft nicht stattfand. Die jetzige Verfassung, nämlich die aus dem Jahre 2004 verliert kein Wort über die religiösen Minderheiten und deren Stellung bzw. Rechte innerhalb der Gesellschaft in Afghanistan. Die Verfassung sieht die Schmähung des Islams als Strafe. Wäre es nicht besser die Beleidigung bzw Schmähung jeder Religion als Strafe zu sehen? Somit kann ein Muslim die anderen Religionen beleidigen, ohne eine Ahndung zu befürchten. Im Gegensatz zu einem Hindu bzw. einer Hindu, der mit Strafe bedroht ist, wenn er nur das Wort „Allah“ also Gott ausspricht. Der Gesellschaft fehlt es an Tolerenz, den anderen Religioanen zuzugestehen, dass diese auch einen Gott haben. Es ist anzunehmen, dass auch die Intellektuellen des Landes, wenn Intolerenz in der afghanischen Gesellschaft ausgeübt wird, schweigen werden. Im Grunde teilen sie nämlich diese Intolleranz, weil sie das gleiche Verständnis haben. Aufgrund ihrer Intellektualität üben sie lediglich etwas dezente Zurückhaltung aus. Es gab mal einen Philosophen / Politiker. Der sprach zu einem Andersdenkenden sinngemäß: „Ich bin ganz und gar nicht Deiner Meinung. Ich vertrete sogar den entgegengesetzten Standpunkt. Aber ich werde mich immer dafür einsetzen, dass Du Deine Meinung sagen kannst.“ Eine solche Haltung würde ich mir auch für Afghanistan wünschen. |
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1. Jahr 20. Hausgabe Januar 2006