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Einsatz im
El-Kaida-Land
Afghanistan
– Die internationale Schutztruppe übernimmt nun auch Verantwortung im Osten des
Landes, einer Hochburg des Terrornetzwerks
VON NAMATULLAH KARYAB
ASADABAD. Der Osten Afghanistan, den die von der Nato geführte Internationale
Schutztruppe Isaf seit gestern kontrollieren soll, ist El-Kaida-Land. Schon seit
langem ist der von Gebirgen und Wäldern geprägte Landesteil eine Hochburg des
Terrornetzwerks von Osama bin Laden. Dennoch gilt er als sicherer als der von
den widerstarken Taliban bedrängte Süden. „El Kaida hat größeren Einfluss in
dieser Region“, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kabul. „Aber
die Lage ist besser als im Süden, weil die Mehrheit der Bevölkerung keine
Probleme will und Sicherheit wünscht.“ Ein Spaziergang wird auch dieser Einsatz
nicht, weiß die Isaf.
Ein Kriegsherr als gefährlicher Gegner
„Die Akteure werden wechseln“, sagt Isaf-Sprecher Mark Laity in
Kabul. El-Kaida-Anhänger und Taliban, aber auch Gefolgsleute des Kriegsherrn und
Ex-Ministerpräsidenten Gulbuddin Hekmatjar, Chef der islamischen Partei
Hesb-e-islami, erwarten die Isaf – Soldaten. Vor allem Hekmatjar ist ein
schweres Kaliber; die USA haben eine Belohnung auf ihn ausgesetzt.
Die Region, insbesondere die Grenzregion zu Pakistan, bietet ein
unüberschaubares Refugium für Extremisten jeder Provenienz, allen voran die
ausländischen El-Kaida-Söldner. „Araber“ werden sie unterschiedslos von den
Einheimischen genannt.
In der Region liegt auch die einstige El-Kaida-Bastion Tora Bora im Fels des
gleichnamigen Bergs. Ein weitverzweigter Höhlenkomplex, heftig umkämpft bei der
US- geführten Invasion Ende 2001. Das letzte Lebenszeichen Bin Ladens stammt aus
diesem Gebirge vom Dezember 2001.
Die Jagd auf die Symbolfigur hinter den Anschlägen vom 11. September 2001
obliegt weiter den US-Truppen in Afghanistan. Zwar steigt die Truppenstärke der
Isaf mit der Kommandoübernahme im Osten von 21 000 auf 31 000 Mann, darunter
auch US- Soldaten. Aber die USA führen ihren Einsatz. „Enduring Freedom“ im
Süden und Osten Afghanistans mit rund 8000 Soldaten fort, die meisten von ihnen
sind Angehörige de US- Armee. Offiziell freilich wird nun ganz Afghanistan von
der Isaf kontrolliert, und damit ist auch die Zahl ihrer Gegner gestiegen.
Dabei wird die Trennung zwischen El Kaida als Sammelbecken für internationale
Extremisten und den national verwurzelten Taliban immer unschärfer. Bereits im
September sprach Pakistans Präsident Pervez Musharraf von einer Verlagerung „des
Schwerpunkts der Terrorismus“ von El Kaida auf die Taliban. Dies neue
Kräfteverhältnis macht sich vor allem im Süden bemerkbar, wo die Isaf seit Juli
bereits 46 Soldaten verlor. Im selben Zeitraum wurden dort angeblich mehr als
tausend Taliban getötet.
Vom „Gotteskrieger“ zum Terror-Schüler
Die US-Offensive Ende 2001 habe die Taliban entwurzelt, und als Reaktion darauf
hätten sich die „Gotteskrieger“ internationalisiert, sagt der französische
Afghanistan-Experte Olivier Roy. Seither hätten die Taliban von den
„Internationalen“ terroristische Strategien erlernt und fühlten sich inzwischen
auch den US-Truppen in offener Konfrontation gewachsen. Kaum verwunderlich, dass
Sprecher Laity des Afghanistan-Einsatz der Isaf „die wichtigste Mission der
vergangenen Jahre“ nennt.
Die Strategie zielt dabei mehr und mehr auf die Zivilbevölkerung: Mit Hilfe von
Wiederaufbau-Teams unterstützt die Isaf den Bau von Straßen, Brücken und Schulen
und will Arbeitsplätze schaffen. Denn insgesamt läuft der Wiederaufbau nur
schleppend an; die Befriedung des Landes droht zu scheitern, wenn die Afghanen
das Interesse an der Demokratie verlieren und statt dessen wieder die Taliban
unterstützen. Das gilt für den Süden ebenso wie für den Rest des Landes.
Quelle:
Darmstäter
Echo vom 06.10.06 Seite 2
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