Kabulnath
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„Die Taliban sind eine Macht“
Afghanistan – Generalsekretär der Welthungerhilfe fordert Dialog mit Islamisten
VON HAGEN STRASUSS
Nach dem Tod von drei Bundeswehrsoldaten plädiert die Deutsche Welthungerhilfe für einen Strategiewechsel in Afghanistan. Es sei „ein politisch fataler Fehler“, beim Wiederaufbau des Landes die Taliban nicht einzubinden, sagt der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Hans-Joachim Preuß, im Gespräch mit dem ECHO.
Hans-Joachim Preuß ist Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe in Bonn.
ECHO: Herr Preuß, kürzlich wurden in Afghanistan zwei Ihrer Mitarbeiter getötet, jetzt starben drei Bundeswehrsoldaten. Ist das deutsche Engagement am Hindukusch noch vertretbar?
Preuß: Der Einsatz ist auf jeden Fall notwendig. Allerdings werden wir als Welthungerhilfe unsere Strategie verändern. Wir haben viele Projekte mit internationalen Hilfsgeldern durchgeführt, die eigentlich Sache der Regierung waren. Dadurch sind wir in Regionen, wo man nicht sonderlich freundlich gegenüber der Regierung eingestellt ist, erheblich unter Druck geraten. Wie in Sudan oder Kongo werden wir künftig unsere Aktivitäten mit den lokalen Autoritäten abstimmen.
ECHO: Das heißt, Sie wollen auch mit den radikal-islamisten Taliban reden?
Preuß: Die Taliban nicht zu berücksichtigen, ist ein politisch fataler Fehler. Sie sind in Weiteren Teilen Afghanistan eine Macht. Ich glaube sogar, dass sie selbst bei demokratischen Wahlen mehr Stimmen bekämen als die jetzige Regierung. Ich plädiere für eine Intensivierung des politischen Dialogs, auch unter Einbeziehung iranischer und pakistanischer Kreise. Denn diese beiden Länder ziehen mit an den Drähten, die für Afghanistan so fatal sind.
ECHO: Kritiker werden Ihnen vorwerfen dass Sie mit Terroristen paktieren wollen.
Preuß: Nicht alle Taliban sind Terroristen. Es gibt zudem genügend andere muslimisch eingestellte Gruppierungen die mit der ausländischen Intervention ihre Probleme haben.
ECHO: Können Sie einschätzen wie prekär der Einsatz der Bundeswehr zurzeit ist?
Preuß: Die Bundeswehr tritt weniger martialisch auf als andere. Sie wird dennoch von fundamentalistischen Kräften als Teil der amerikanischen Koalition gesehen und daher abgelehnt. Wir sind nicht der Meinung dass die Bundeswehr in Kundus ein Mehr an Sicherheit gebrach hat. Sie ist auch nicht dazu geeignet die Aktivitäten von humanitären Organisationen zu schützen. Wir werden viel stärker darauf achten dass unsere Mitarbeiter unsere Sicherheitsvorgaben einhalten.
ECHO: Plädieren Sie also für einen Abzug der deutschen Soldaten?
Preuß: Ein isoliertes Vorgehen der Bundeswehr ist ja nicht möglich. Zöge sich das internationale Militär zurück würde die Karsai-Regierung nicht mehr lange im Amt sein. Es entstünde ein Machtvakuum in das vermutlich di eTaliban hineinstoßen würden.
ECHO-INTERVIEW mit H.-J. Preuß Vom 22.05.2007 Seite 3
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3. Jahr 49. Hausgabe Mai 2007