Integration - Farsane Baraki kämpft für Entlohnung ihrer Arbeit - "Alle
bestätigen den Bedarf, aber keiner zahlt"
VON ALEXANDRA WELSCH
Farsane Baraki ist eine durch und durch
engagierte Frau. Die vierfache Mutter, Elektroingenieurin und
Vorsitzende des Frauenkulturvereins Omid, leitet Computer und
Sprachkurse für Frauen nicht - deutscher Abstammung, bietet eine
Senioren AG an, ist Gesundheitslotsin und Gymnastiklehrerin, schreibt
Kochbücher und engagiert sich an der Kranichsteiner Erich Kästner-Schule
(EKS) als U-Plus-Kraft sowie in der Vermittlung zwischen Eltern und
Lehrern.
Die Fünfzigjährige, die vor 16 Jahren aus
Afghanistan kam, tut all dies ehrenamtlich. Doch was einen Teil ihres
Engagements angeht, ist dies für sie nicht mehr akzeptabel. Vor einem
halben Jahr hat sie eine Ausbildung zur Integrationsassistentin
abgeschlossen (dazu mehr auf der Seite) und investiert damit eine Menge
Zeit. Wie sie sagt, ist sie pro
Etwa 60 Menschen "hängen in der Luft"
Die Kranichsteinerin findet das
ärgerlich: "Zwar hat die Arge diese Ausbildung finanziert, aber seither
hängen wir in der Luft." In den vergangenen drei Jahren seien rund 60
Menschen in Darmstadt zu Integrationsassistenten ausgebildet worden,
doch eine Stellung in dem Bereich finden sie kaum. "Wir wollen endlich,
dass unsere Arbeit offiziell anerkannt und entlohnt wird."
Man hört ihrem freundlichen und
eindringlichen Ton an, dass sie sehr zielstrebig ist. Mit anderen hat
sie ein Konzept ausgearbeitet für ein Integrationsprojekt zur "Bildung
für Migranteneltern zur Förderung ihrer Kinder" und ist allein in diesem
Jahr viele Klinken putzen gegangen: Sie hat es EKS - Schulleiter Michael
Hüttenberger vorgestellt, Sozialdezernent Jochen Partsch und der
Darmstädter Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Kürzlich ist sie
extra nach Hannover gereist, um bei der Bundesbeauftragten Migration und
Integration, Maria Böhmer, für das Projekt zu werben.
Das Zwischenergebnis ist für sie
erfreulich und niederschmetternd zugleich. "Jeder hat geantwortet: toll,
sehr schön, wir brauchen Sie", fasst Baraki den positiven Teil der
Reaktionen zusammen, "Jeder erkennt den Bedarf, aber keiner zahlt
dafür." Für die Kranichsteinetin ist das gerade vor dem Hintergrund der
Debatten über die aufzuholenden Versäumnisse in der Einbindung der
Einwanderer in die Gesellschaft unverständlich: "Man sollte nicht so
viel reden über Integration, sondern auch etwas tun."
Baraki hat konkrete Vorstellungen, was
man tun kann. Zum Beispiel in der Schule. "Viele Migrantenkinder sind
nicht dumm, aber sie stammen aus einer anderen Kultur." Oft fehle zu
Hause der Rahmen, um das Gelernte zu vertiefen. Viele Eltern hätten
keine Ahnung vom Bildungssystem, die Kinder stünden zwischen zwei
Kulturen. .Jntegrattonsassistenten nehmen hier eine wichtige
Vermittlungsfunktion wahr."
"Wir wollen anwenden, was wir gelernt
haben"
Ihre Mitstreiterin Fathia Riahi, seit
zwei Jahren ausgebildete Integrationsassistentin ohne Anstellung, wirft
ein konkretes Beispiel ein:
Klassenfahrten. Für das wiederkehrende
Problem, dass Kinder arabischer Herkunft nicht daran teilnehmen dürfen,
hat sie einen Lösungsvorschlag: "Wenn ein Elternteil mitfahren würde,
wäre das für viele beruhigend und okay." Für die
Integrationsassistentinnen geht es darum, die eigene Kultur mit der
deutschen zu verbinden und Vorurteile abzubauen. "Wir wollen anwenden,
was wir gelernt haben, und dafür angemessen entlohnt werden", betont
Baraki. Sie wünscht sich, dass an der Kästnerschule eine entsprechende
Stelle geschaffen wird.
Doch das wäre nach Einschätzung der
Frauen nur der erste Schritt, weitere müssten folgen. Einwanderer seien
überall in der Gesellschaft angekommen - ob im Kindergarten oder der
Schule, in Behörden oder sozialen Einrichtungen "Deutschland ist
Zuwanderungsland", gibt Farsane Baraki zu bedenken. "Da kann man nicht
die Augen verschließen und sagen, ich sehe das nicht."
Selten folgt nach tausend Stunden
Ausbildung eine Anstellung
Die Ausbildung zum
Integrationsassistenten ist ein von Stadt, Land und Bund finanziertes
Modellprojekt, dass es in Darmstadt seit 2004 gibt. Dabei handelt es
sich um eine zweisemestrige Weiterqualifizierung, die am Fachbereich
Sozialpädagogik der Hochschule Darmstadt in Kooperation mit dem freien
Bildungsträger "Internationaler Bund" angeboten wird. Die Teilnehmer
haben etwa 450 Stunden Fachunterricht sowie 200 Deutschstunden und
absolvieren ein 350 Stunden umfassendes Praktikum, meist in einer
sozialen oder Verwaltungseinrichtung. Am Ende steht ein Zertifikat. Das
Projekt verfolgt zwei Ziele: Die Absolventen sollen bei der Integration
anderer behilflich sein und gleichzeitig ihre eigene Integration
vorantreiben - die in den ersten Arbeitsmarkt (die Teilnehmer beziehen
Arbeitslosengeld II).
Doch dieser Schritt erwies sich seit
Beginn des Projekts als schwierig: Zwar attestiere man den
Integrationsassistenten laut Alp Otman vom Interkulturellen Büro der
Stadt stets, dass sie gebraucht würden eine Umfrage unter hundert
südhessischen Einrichtungen im sozialen und Gesundheitsbereich
bestätigte hohen Bedarf -, doch Stellen würden mit Verweis auf knappe
Kassen kaum geschaffen.
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