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              Hoppe träumt von Hoppe
      Darmstädter Echo, Seite 4 Mittwoch/Donnerstag, 16/17 Mai 2012
 

 

BÜCHERPREIS Die Berliner Schriftstellerin ber Reisen, Erfindung und Wirklichkeit

 

 

F.Hoppe

 

 

VON JOHANNES BRECKNER

 

DARMSTADT. Die Berliner Schriftstellerin Felicitas Hoppe (51) erhält in diesem Jahr den Georg-Bchner-Preis. Die Auszeichnung der Deutschen Akademie fr Sprache und Dichtung wird am 27. Oktober in Darmstadt vergeben. Sie ist mit 50 000 Euro verbunden und gilt als wichtigster deutscher Literaturpreis.

  

Ein Rattenkostm mit Schnurrbart und Schwanz, Wurst in der Linken, Brot in der Rechten, um vor Touristen auf dem Marktplatz von Hameln beim Freilichtspiel vom Rattenfänger ein Taschengeld zu verdienen: So tritt "Hoppe" zu Beginn des gleichnamigen Romans dem Leser entgegen. Dabei kennt Felicitas Hoppe, 1960 in Hameln geboren, das Rattenfänger- Theater ihrer Heimatstadt nur als Zuschauerin. Die ersehnte Rolle hat sie nie bekommen. Jetzt sie im Roman Wirklichkeit geworden - "dafr ist Literatur Ja auch da"; sagt Felicitas Hoppe am Telefon und lacht, eine entspannte Bchnerpreisträgerin, die bemerkenswert präzise und reflektiert Auskunft gibt.

 

"Hoppe" heißt ihr neuer Roman, und er bietet vielerlei biografische Anknpfungspunkte und Spuren, die ins bisherige Werk fhren. Eine Autobiografie ist es nicht, eher die spielerische Komposition von Erfindung und Wirklichkeit. Hoppe nennt es eine "Selbstbetrachtung vor anderer Kulisse", die auch auf Kindheitsträume zurckgeht. " Wenn Sie das Nachdenken ber die eigenen Wnsche und Träume als Bestandteil unseres normalen Lebens ansehen, dann ist es durchaus autobiografisch", sagt sie," es erzählt nicht die Geschichte der Felicitas Hoppe, sondern wie sie sich ihr Leben vielleicht vorgestellt hätte.

 

Ein zentrales Motiv in ihrem Werk ist das Reisen. Antonio Pigafetta, der Chronist der ersten Weltumseglung, gab 1999 ihrem ersten Roman den Titel. Zuvor hatte die Autorin selbst die Erde auf einem Containerschiff umrundet. Später war sie als Schriftstellerin auf Dienstreisen, fuhr mit dem Literaturexpress von Lissabon nach Moskau, reiste durch indische Städte, war in Indonesien und Westafrika, in den USA und der Ukraine. "Aber ich sehe mich nicht als Globetrotter Typen, der Länder sammelt", sagt sie. In Bewegung zu sein, ist vielmehr mit dem Schreiben verknpft. "Sobald ich in einen Zug steige, fließen die Gedanken anders." Aufbruch, Fahrt und Heimkehr hat sie die Kapitel ihrer aktuellen Vorlesungen berschrieben in Hamburg, wo sie eine Gastprofessur fr "interkulturelle Poetik" versieht. "Wenn man ber diese Dinge spricht, spricht man auch ber das Schreiben. Man fängt einen Text an, man fhrt ihn durch, und dann muss man sehen, dass man irgendwie zurckkommt."

"Abenteuer ist nicht das, was wir suchen, sondern das, was uns begegnet", kndigt sie als Thema ihrer Vorlesung fr nächsten Freitag an. Was ist Erfindung, was Wirklichkeit in ihrem Werk? "Erleben und Fantasie gehen ineinander", sagt sie, "ich trenne das gar nicht. Ich glaube, dass die Fantasie ohne die Realität gar nicht aktiviert wird. Auch Autoren, die fantastisch und fantasievoll schreiben, schöpfen aus der Realität. Aber mit Hilfe der Fantasie wird die Realität umgeformt." Es sei wie im Märchen es ist realistische Literatur, die von Aufbrchen, Reisen, Abschieden erzähle, von Armut und sozialen Problemen. "All das ist im Märchen aufgehoben, aber so, dass es die Menschen tröstet."

 

Die Frhjahrstagung der Akademie, deren Mitglied sie seit 2007 ist, hatte Hoppe versäumt. Am Sonntag meldete sich Präsident Heinrich Detering mit der guten Nachricht vom Bchnerpreis, die völlig unerwartet kam. "Ich muss das erst mal verdauen", sagt die designierte Preisträgerin, "es ist berwältigend, und es macht mich sehr glcklich."

 

 

 

Bcherpreisträgerin Felicitas Hoppe

 

Felicitas Hoppe wird am 22. Dezember 1960 in Hameln geboren. Ab 1980 studiert sie Literaturwissenschaften, Rhetorik, Religionswissenschaften, Italienisch und Russisch in Hildesheim, Tbingen, Eugene/Oregon (USA) sowie in Berlin und Rom. Sie lebt in Berlin als freie Schriftstellerin. 1996 erscheint ihr Debt, der Kurzgeschichtenband -Picknick der Friseure"; 1999 folgt als erster Roman "Pigafetta". Bis heute hat sie fnf Romane, Essays und mehrere Erzählbände vorgelegt, außerdem einige Veröffentlichungen zusammen mit Knstlern der Berliner Handpresse. Zuletzt erschien Anfang 2012 im Verlag S. Fischer der Roman "Hoppe". Die Autorin hat schon viele Auszeichnungen erhalten. Der Bchnerpreis wrdigt ein "vielstimmiges Werk", schreibt die Deutsche Akademie zur Begrndung. .In einer lakonischen und lyrischen, eigensinnigen und uneitlen Prosa hat sie ein erzählerisches Universum erfunden, in dem Grundfragen eines ,postmodernen Daseins mit freier und befreiender Phantasie durchgespielt werden.

 

 

 

 

 

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