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                Darmstädter Echo, 13. März 2012 Seite 3
 
 

 

AFGHANISTAl\ Angela Merkel ist in Masar-i-Scharif in heikler Mission

 

VON KRISTINA DUNZ UND CAN MEREY

 

 

MASAR-I-SCHARIF. Angela Merkels Blitzbesuch am Hindukusch wird vom Massaker eines US-Soldaten an Zivilisten berschattet. Das Vertrauen zwischen Ausländern und Afghanen hat einen Tiefpunkt erreicht.

 

Die Soldaten sind fassungslos. Einer ihrer amerikanischen Kameraden hat in Kandahar Frauen und Kinder erschossen. Weit weg vom deutschen Verantwortungsbereich im afghanischen Norden. Und doch ganz nah. Denn der Amoklauf vom Vortag bestrzt am Montag auch die Bundeswehrsoldaten in Masar-i-Scharif - ebenso wie die Bundeskanzlerin.

 

Merkels Besuch war nicht angekndigt, weil die Sicherheitsbehörden Anschläge von Taliban- Kämpfern befrchten. Merkel telefoniert vom deutschen Feldlager aus mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai und drckt ihr Mitgefhl aus. Sie spricht von einer "schrecklichen Tat". Die Soldaten in Masar-i-Scharif, die ungenannt bleiben möchten, glauben, wer so etwas macht, msse selbst Schreckliches erlebt haben. Doch das sei keine Entschuldigung.

 

 

Das Massaker im Sden des Landes sorgt vor allem unter den Afghanen fr Wut und Entsetzen. Die "New York Times" berichtet, der Feldwebel sei mitten in der Nacht in Häuser eingebrochen. Dort habe er kaltbltig schlafende Zivilisten erschossen. 16 Opfer beklagt die afghanische Regierung, darunter neun Kinder. Anschließend, so schreibt die Zeitung, habe der Angreifer mehrere Leichen verbrannt. Etwa die von vier Mädchen, die nicht mal sechs Jahre alt wurden. Die Taliban schwören, jeden einzelnen Toten zu rächen.

 

Unklar ist, was den Amokschtzen der selbst zwei Kinder haben soll zu der Tat trieb. Auch andere Fragen sind offen, etwa wie es dem Amerikaner gelingen konnte, mitten in der Nacht seine schwer gesicherte Basis zu verlassen, ohne dass ihn jemand aufhielt. Was aber klar ist: Das Vertrauen in die Ausländer, das wegen der Koranverbrennungen durch US-Soldaten vor drei Wochen schon schweren Schaden nahm, hat noch einmal dramatisch gelitten.

 

Die Abgeordneten im Unterhaus des Parlaments in Kabul kommen am Montag zu einer hitzigen Sitzung zusammen. Mehr als die Hälfte verlässt aus Protest gegen die Bluttat den Saal. Und das Unterhaus verabschiedet eine Resolution mit einer klaren

 

Warnung an die ausländischen Truppen: Die Toleranzgrenze des afghanischen Volks sei erreicht.

 Doch auch die ausländischen Soldaten haben Grund, an ihren einheimischen Kameraden zu zweifeln. Immer wieder werden Soldaten der Internationalen Schutztruppe Isaf Opfer hinterhältiger Angriffe. Alleine in den vergangenen drei Wochen haben Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte sechs amerikanische Soldaten erschossen.

 

Partnering nennt die Isaf die militärische Hilfe, bei der die einheimischen Sicherheitskräfte ausgebildet werden und im Einsatz Seite an Seite mit den Ausländern stehen. Manche Isaf- Soldaten haben inzwischen ein ungutes Gefhl dabei. Wer weiß schon, ob nicht in der eigenen Partnering- Gruppe ein Afghane ist, der plötzlich die Waffe auf seine Ausbilder richtet?

 

Dabei gilt das Partnering als alternativlos, wenn die einheimischen Soldaten und Polizisten Ende 2014 die Verantwortung fr die Sicherheit im Land bernehmen sollen - und den ausländischen Kampf Truppen damit den Abzug ermöglichen. Merkel macht am Montag erneut klar, dass sie an dem Abzugstermin 2014 festhalten will.

 

Als riskant gilt der Plan der Nato, die Anzahl der afghanischen Soldaten und Polizisten nach 2014 von 352000 auf 230000 zu reduzieren. Niemand will die gigantische Truppe auf Dauer finanzieren - auch die Afghanen werden das Geld dafr nicht haben.

 

Doch was passiert dann mit den berschssigen mehr als 100 000 Mann, allesamt ausgebildete Kämpfer? Werden sie sich Milizen anschließen - oder gleich den Taliban? Gelingt eine Aussöhnung mit den Aufständischen? Wie werden sich die mächtigen Nachbarn Pakistan und Iran nach 2014 verhalten?

 

Niemand bezweifelt, dass die Isafbis zum Abzug noch um viele Gefallene wird trauern mssen. Merkel verneigt sich am Montag vor den toten Soldaten, die die Bundeswehr seit Beginn ihres Einsatzes vor mehr als zehn Jahren zu beklagen hat. 52 Männer sind bei Unfällen, Anschlägen oder im Gefecht gestorben. Die Kanzlerin steht in Masar-i-Scharif schweigend am Ehrenhain.

 

Die Soldaten empfinden es als wohltuend, dass die Kanzlerin sie persönlich hört. Und Merkel wrdigt ihr Engagement: "Die Soldaten verrichten hier einen ausgesprochen guten und ambitionierten Dienst. Sie setzen sich selber Gefährdungen aus und tun dies, damit unsere Sicherheit in Deutschland besser ist. Das drfen wir nie vergessen."

 

 

 

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